Kompetenzstufenorientierte Leseförderung

Was sind Kompetenzstufen?

Grundlegende Voraussetzung für jede höhere Bildung ist die Fähigkeit, aus Texten Informationen entnehmen zu können. Im Rahmen der IGLU-Studie (Internationale Grundschul-Leseuntersuchung) wurde die Entwicklung des Lese­ver­ständnisses von Grundschulkindern analysiert.

Hierzu wurden Kompetenzen bei Grundschülern überprüft, die für ihr zukünftiges Leben in einer Wissensgesellschaft bedeutsam sind und sie befähigen, in unterschiedlichen, lebenspraktisch bedeutsamen Situationen ihre Lesekompetenz nutzen zu können.

Auf der Basis dieser Studie wurde ein Kompetenzstufenmodell entwickelt, das zur Diagnose des Leseverständnisses und zur Ableitung von Fördermaßnahmen dient.

 

(nach IGLU: Internationale Grundschul-Leseuntersuchung im Rahmen der Grundlagenforschung zur Lesekompetenz)

 

Umsetzung der kompetenzstufenorientierte Leseförderung in der Grundschule Percha

Die Fähigkeiten im Leseverstehen sind im Prinzip unabhängig vom Alter. Daher finden sich innerhalb einer Klasse unterschiedliche Bandbreiten von Lesekompetenz. Um die Kinder ihren Kompetenz­stufen entsprechend fördern zu können, gestalten wir eine Deutschstunde pro Woche klassenübergreifend. Hierfür werden Kurse für unter­schiedliche Fähigkeits­niveaus angeboten, die alle Jahrgangsstufen umfassen.

Die Kompetenzstufen geben hierbei eine Orientierung, über welche Teilfähigkeiten der einzelne Schüler in der Entwicklung des Leseverständnisses gerade verfügt. Durch die Unterscheidung von fünf Kompetenzstufen ist es möglich, konkrete Fördermaßnahmen abzuleiten.

Je nach dem, auf welcher Stufe ein Kind im Entwicklungsprozess steht, werden unterschiedliche Übungsformate angeboten, um das Erreichen der nächst höheren Stufe anzubahnen. Festgelegte Klasseneinteilungen werden hierbei aufgelöst. In einem Kurs können also durchaus Kinder aus verschiedenen Jahrgangsstufen gemeinsam arbeiten (z.B. Kinder aus der 2. und 3. Klasse, die sich auf dem gleichen Fähigkeitsniveau befinden).

 

 

 

Beschreibung der Kompetenzstufen

Kompetenzstufe 0 (Basiskompetenz)

 

Auf dieser Stufe sind die Schüler noch im Wesentlichen mit dem Leselernprozess (Zusammenziehen der Laute zu Wörtern) beschäftigt.

Das Kind …

...liest sehr langsam und noch sehr stockend. Daher kann es den Sinn des Gelesenen noch nicht    entnehmen.

… kann Sätze recht flüssig lesen, kennt aber die Bedeutung mancher Wörter oder Fachbegriffe nicht.

… betont beim Lesen das Wort völlig falsch, sodass das Gelesene nicht Wieder erkannt wird. (z.B. Beet – Bett)

…kann mehrsilbige Wörter nicht flüssig lesen. ( z.B. Blumentopf-erde wie Blumento-pferde oder Bau-material gelesen wie Baum-aterial)

… hat Schwierigkeiten bei Wörtern mit Konsonantenhäufungen (z.B. Schmetterling)

…kennt einzelne Buchstaben nicht oder verwechselt Buchstaben

… weist fehlende Motivation auf oder entzieht sich den Anforderungen bei

          Schwierigkeiten.

                                                                        

Kompetenzstufe 1 – Erkennen und Wiedergeben von ausdrücklich angegebenen Informationen

 

Diese Stufe ist erreicht, wenn ein Kind wörtlich genannte Informationen in einer kurzen Textstelle herausfinden kann.

Das Kind …

… liest relativ flüssig und kann einfache Sachverhalte verstehen.

… kann gesuchte Wörter im Text wieder erkennen.

… kann wörtlich genannte Infos im Text herausfinden.

… kann aus mehreren ähnlichen Möglichkeiten die richtige finden (z.B. Fehler in Sätzen finden)

… kann Wortdefinitionen für alltägliche Wörter finden.        

 

Kompetenzstufe 2 – einfache Schlussfolgerungen ziehen

 

Das Kind hat Stufe 2 erreicht, wenn es im Text Angesprochenes weiterdenken kann. Es kann auch Informationen verknüpfen, die über einen einzelnen Satz hinausgehen.

Das Kind …

… kann bereits einfache Schlussfolgerungen aus dem Text ziehen.

… kann in einer Textpassage angesprochenes weiterdenken.

… ist in der Lage, einen Zusammenhang zwischen mehreren Textstellen herzustellen.

… kann eigenes Vorwissen nutzen um Antworten auf Fragen zu finden.

… soll ein Wort aus dem Textzusammenhang heraus verstehen und erklären können.

… kann Beispiele für ein allgemeine Aussage im Text finden. 

… ist in der Lage, sich in die beschriebene Situation eines anderen hineinzuversetzen.

… kann Gefühle erkennen und Ursachen benennen 

… kann konkrete Handlungen oder Sachverhalte auf etwas Allgemeines zurückführen.  

 

Kompetenzstufe 3 – komplexe Schlussfolgerungen ziehen und begründen, Interpretieren des Gelesenen

 

Die Kompetenzstufe 3 hat das Kind erreicht, wenn es indirekt im Text enthaltene Sachverhalte auf Grund des Kontextes erschießen kann. Es kann komplexe Schlüsse aus Informationen ziehen, die in unterschiedlichen Textabschnitten zu finden sind. Ferner kann es das Gelesene mit eigenem Allgemeinwissen verknüpfen.

Das Kind …

… kann den tieferen Sinn oder eine übertragene Bedeutung einer Handlung oder Aussage erklären.

… ist in der Lage, eigene Vorstellungen und Erfahrungen für die Bewertung eines Textes nutzen.

… ist fähig, sich Alternativen oder verschiedene Handlungsmöglichkeiten zu überlegen.

… kann Gefühle reflektieren und die eigene Meinung begründen.

… kann einzelne Sachverhalte in den Gesamtkontext einordnen.

 

Kompetenzstufe 4 – Prüfen und Bewerten von Sprache und Inhalt

 

Bei dieser Stufe geht es darum, aus einer übergeordneten Perspektive (also in Distanz zum konkreten Inhalt) über Form, Sprache und Absichten eines Textes nachzudenken.

Das Kind…

…kann die Absicht des Autors oder die Funktion des Textes erkennen und bewerten.

… kann Gestaltungsmerkmale (z.B. Merkmale eines Märchens) erkennen.

… ist in der Lage, eine Geschichte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

… versteht die zentrale Aussage eines Textes.

 

nach Dr. Richard Sigel, LMU München